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Ringkampf

Packendes Finale beim Truck Grand Prix am Nürburgring.


Truck Race Nürburgring 2023

Beim Truck-Grand-Prix treffen sich vor allem Menschen, für die Lastwagen Beruf und Berufung sind. Fahrer (und einige Fahrerinnen) feiern mit Familie, Freunden und Kollegen vier Tage lang ausgelassen sich, ihre Trucks und ihre Arbeit.


Blockabfertigung, endlose Wartezeiten an der Rampe, Staus, keine Parkplätze? All das passiert erst wieder am Montag, nach der großen Party am Ring. Wobei zur Melange eben auch gehört, dass hier nicht nur die Fahrer feiern, sondern auch ihre Chefs dabei sind. Sprich Transport- und andere Unternehmer aus der großen Welt von Logistik und Güterverkehr. In diesem Jahr war der Hersteller einer nicht ganz billigen Werkstattausrüstung zum ersten Mal im Industriepark vertreten – und hellauf begeistert: Er hatte ein ausgestelltes Produkt vom Stand weg verkauft. Neuer Kunde gewonnen, Ausgaben amortisiert, viele gute Gespräche und Kontakte, lockere Atmosphäre – eine Schnittmenge aus diesen Faktoren bildete wie gehabt am Sonntagabend bei vielen Ausstellern das Fazit nach vier Tagen in der Eifel.


Großveranstaltungen wie der Truck-Grand-Prix sind naturgemäß ein komplexes Zusammenspiel bestimmter Schlüsselfaktoren. Ausgangspunkt der Entwicklung zur größten Veranstaltung im Kalender der FIA European Truck Racing Championship waren die Truckrennen, um die herum sich vor vielen Jahren Musikfestival und Industriepark zur heutigen Bedeutung entwickelt haben. Ein derartiges Konzept erfordert aber immer wieder behutsame Modifikationen, um nicht eines Tages altbacken oder aus der Zeit gefallen zu wirken. Andererseits ist die Branche bei aller Aufgeschlossenheit für technische Neuerungen auch als (vorsichtig ausgedrückt) „konservativ“ bekannt, was immer die Gefahr mit sich bringt, dass Neues erst einmal



Zurück zum Markenkern


Auf der Rennstrecke gibt in diesem Jahr einmal mehr Norbert Kiss den Takt vor. Das Bemerkenswerte dabei ist die Souveränität, mit der der Ungar zu Werke geht. Auch hartnäckige Konkurrenten wie Rekord-Europameister Jochen Hahn zeigen sich beeindruckt und geben zu: „Der zeigt uns gerade, wie es geht.“ Bei Kiss ist es die optimale Kombination, die seine Überlegenheit zementiert. Er hat mit seinem MAN das wohl beste Fahrzeug im Feld – und er ist nach übereinstimmender Meinung auch der beste Fahrer. Die Ausnahmestellung des amtierenden Europameisters zeigt sich eigentlich an jedem Rennwochenende, doch besonders beeindruckend waren seine Auftritte auf dem Slovakiaring und eben beim Truck-Grand-Prix. In der Slowakei ließ Kiss speziell im Starkregen sämtliche Konkurrenten aussehen wie Anfänger, setzte seine Attacken zentimetergenau am richtigen Punkt (wobei das eigentliche Überholen oft erst „meilenweit“ danach passierte; aber an der entscheidenden Stelle war er eben in der optimalen Ausgangsposition) und gewann alle vier Wertungsläufe, was seit Einführung des Reverse Grid (der Sieger aus Rennen 1 und 3 muss die Rennen 2 und 4 jeweils vom achten Startplatz aus antreten) kaum mehr vorkommt.


Auf dem Nürburgring sorgten Jochen Hahn und Norbert Kiss, sicherlich ohne Absicht, für die perfekte Dramaturgie, als sie das vierte und letzte Rennen zum spannendsten des ganzen Wochenendes machten. Kiss hatte sich zuvor dreimal erfolgreich durchgesetzt, Hahn hatte vor dem Finale einen „Aussetzer“ und zwei durchaus vorzeigbare Resultate aufzuweisen. Runde um Runde beharkten sich Hahn und Kiss zum Abschluss der ersten Saisonhälfte, nachdem sie schon kurz nach dem Start die Spitze erobert hatten. Wobei das im Fall von Jochen Hahn auch eine spezielle Angelegenheit war: Kiss versuchte, in der ersten Kurve innen an Lukas Hahn vorbeizukommen (der einmal mehr eine phantastische Leistung zeigte). Aber wie es sich für einen guten Vater gehört, schirmte der seinen Filius nach Kräften ab und profitierte auch noch dabei. Kiss schaffte es nicht, auf die Ideallinie zu kommen und musste sich hinter dem Hahn-Iveco mit der Startnummer 2 einsortieren. Danach erübrigte sich für den Senior bis zum Ende des Laufs der Blick in den Rückspiegel: Kiss machte sich immer wieder unmissverständlich bemerkbar und klopfte regelmäßig am Heck des vorausfahrenden Konkurrenten an. Der amtierende Europameister aus Ungarn war in dem Fall auch als Verfolger in der komfortableren Position: Der Sieg hätte ihm einen Punkt mehr eingebracht und damit in erster Linie einen weiteren Superlativ, denn wenn die Erinnerung nicht trügt, hat seit Einführung des Reverse Grid kein Fahrer mehr in einer Saison zweimal das Full House mit vier Siegen in vier Rennen geschafft. Manchmal geht es am Ende einer EM um einen Punkt hin oder her, aber in diesem Jahr wird es mit Sicherheit kein Fotofinish werden zwischen dem neuen Europameister und dem Vize-Champion, wer immer das sein wird. Der zusätzliche Punkt in der EM-Wertung war für Kiss also mit Sicherheit kein Antrieb, zumal zur Saisonmitte schon 54 Punkte zwischen dem Ersten und seinem ersten Verfolger liegen. Also: kein Muss. Aber Kiss fährt (wie andere auch) um zu gewinnen – folglich setzte er den vorn liegenden Hahn zwölf Runden lang gewaltig unter Druck.


Für die Zuschauer auf den Tribünen ein fesselndes Finale, in dem Jochen Hahn den Erfolg knapp über die Ziellinie rettete und sich verdientermaßen freute: „Es war schön, dem alten Fuchs endlich wieder einmal ein Schnippchen geschlagen zu haben.“




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