Die Europäische Union will frühestens im Dezember Verhandlungen über die künftigen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit Großbritannien aufnehmen. Das haben die Staats- und Regierungschefs der verbliebenen 27 Mitgliedstaaten bei ihrem Oktobergipfel in Brüssel beschlossen. Sie stellten fest, dass es bei den Gesprächen über die Austrittsbedingungen der Briten bisher keine ausreichenden Fortschritte gebe, um in die zweite Phase der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen überzugehen. Die EU-Staaten widersetzen sich damit weiterhin dem Wunsch der Briten, über beide Themenbereiche parallel zu verhandeln. Allerdings erteilten sie ihrem Verhandlungsführer, dem französischen Ex-EU-Kommissar Michel Barnier, das Mandat, mit den Vorbereitungen für die zweite Phase der Gespräche zu beginnen. Unterdessen wird auf Seiten der britischen Regierung immer lauter über die Möglichkeit eines Austritts ohne vertragliche Vereinbarung spekuliert. Man bereite sich auch ein solches Szenario vor, hatte ihr Verhandlungsführer David Davis zuletzt wissen lassen. Für den Transportsektor wäre ein solches Szenario allerdings der „schlechteste denkbare Ausgang“, warnt die Internationale Straßentransportunion IRU. „Wir dürfen nicht vergessen, dass der Straßengüterverkehr die Lebensader der europäischen und britischen Wirtschaft ist“, sagte ihr Beauftragter für die Brexit-Verhandlungen, David Kern. Er begrüßte grundsätzlich die britischen Vorschläge für die künftigen Beziehungen des Landes zur EU, forderte allerdings zugleich mehr Details und Klarheit, damit der Sektor in die Lage versetzt werde, Handel und Wirtschaftswachstum nach dem Austritt zu stützen. Vorschläge wie der einer Vorab-Deklaration von Gütern brauchten zusätzliche Klärung im Hinblick auf die administrativen Lasten und zusätzlichen Kosten, die dadurch vermutlich auf die Unternehmen zukämen und letztlich die Wirtschaft gefährden, fordert der Verband. Die IRU hat sich mit einer großen Zahl weiterer Wirtschaftsverbände zu einer Initiative zusammengetan, um die Brexit-Verhandlungen zu begleiten und auf ein wirtschaftsfreundliches Ergebnis zu drängen. Beide Seiten müssten sich so schnell wie möglich auf eine Übergangsperiode verständigen, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU und Großbritanniens zu schützen und ein reibungsloses Zoll- und Handelsumfeld zu erhalten, heißt es in einer Mitteilung der Initiative, der neben dem Transport-und Logistiksektor auch Wirtschaftszweige von der Landwirtschaft und Rohmaterialien-Industrie über Technologieanbieter und Finanzdienstleister bis zum Groß- und Einzelhandel angehören. Oberste Priorität der Gruppe sei es, eine problemlose Übergangsperiode nach dem März 2019 zu garantieren, die das derzeitige Wirtschafts-, Regulierungs- und Handelsumfeld widerspiegle. Die Aussichten auf einen solchen reibungslosen Übergang in die Nach-Brexit-Periode sind angesichts des derzeitigen Verlaufs der Verhandlungen allerdings eher gering. Die künftigen Beziehungen der EU zu Großbritannien würden kaum tiefer sein, als die zu Kanada, hatte der EU-Chefunterhändler Barnier zuletzt gewarnt. Kanada und die EU hatten sich im letzten Jahr auf ein weitreichendes Handelsabkommen verständigt, das jedoch weit hinter einer Beteiligung am EU-Binnenmarkt zurückbleibt, wie sie etwa Norwegen zugestanden wurde. Gleichzeitig stellte Barnier in mehreren Zeitungsinterviews klar, dass sich Großbritannien auch in einem solchen Szenario weiterhin der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg unterwerfen müsse. Dies widerspricht einer der zentralen Forderungen der Hardliner in der konservativen Partei von Premierministerin Theresa May und zugleich deren Wunsch nach einer „neuen, tiefen und besonderen Partnerschaft“ zwischen beiden Seiten. Die Prioritäten Barniers sind allerdings andere: Die Integrität des Binnenmarktes der EU sei ihm wichtiger als die Beteiligung der Briten daran, machte er deutlich. Zusätzliche Belastungen für den Gütertransport zwischen der EU und der Insel dürften auf dieser Basis kaum zu vermeiden sein.